TIMO NASSERI
NINE FIRMAMENTS
September 5th, 2015 - October 31st, 2015
SCHLEICHER/LANGE BERLIN
Opening Friday, September 4th, 2015, 6pm-9pm
Timo Nasseri’s current exhibition “Nine Firmaments” he concerns himself with the topic of notation and readability. He examines the diculties of transcription and the loss of knowledge through notation and its transferal back into the three-dimensional space. Nasseri’s drawing “Nine Firmaments”, which lends the show its title, as well as “Orbis Tertius” make use of illustrative elements that appear familiar to the observer. Graphic, geometric symbols, digits and letters from the fields of mathematics, cartography and astronomy are placed in a complex, yet purely intuitive, indecipherable correlation. The words, numbers and forms bear associative significance for the observer, seem to be references, but no clear sense can be made of them, despite the fact that these notations originally serve to designate and preserve information and knowledge and make them accessible. Nasseri questions the vocabulary of characters that visually has become so commonplace to us by creating his own fantastical worlds of characters, captivating in their minuteness and
precision, but also puzzling to the observer. They echo Nasseri’s drawing block “O Time Thy Pyramids”. Intellectually they reference Jorge Luis Borges’ literary work “The Library of Babel” (1941), in which every possible combination of letters and words is preserved in an infinite library and thus all knowledge is represented. As it contains every possible combination, it seems cacophonous and
indecipherable. However, it may be that just one deciphering code is missing for a possible translation, similarly to the keys needed to understand mathematical formulas.
The sculptural works presented in the exhibition stem from these drawings in the “O Time Thy Pyramids” series. They continue the ideas inherent in them, attempting to recreate the legibility in the three-dimensional of that which is illegible or has been lost in the two-dimensional space, such as the volumes of bodies. As such, they are derivatives, back-translations and interpretations of a notation in the three-dimensional realm.
The resulting space-consuming installation consists of several individual sculptures, whichTimo Nasseri links into a related, modular reference system: clear, geometric, abstract shapes in materials such as brass, wood, black, powder-coated steel or thread.
“Pion” (2015), which is part of the ensemble, consists of various adjustable spheres rotating around one another, as in a sky model or globe, and a network of stretched threads that seem to form curves. As in the centrally positioned sculpture, the curves arise from straight lines staggered such that they rotate about themselves and therefore appear to form curves. Here Nasseri was initially inspired, as with the “Mesh” sculptures, by geometric drawings by Jakob Steiner (1796 – 1863), a Swiss mathematician who sought a way to describe cone shapes in drawings using parabolas. Nasseri addresses the opposite question, the transfer of two-dimensional structures back into the threedimensional space and the change a system undergoes when a dimension is added or subtracted. Both his drawings and sculptures are frequently based on geometric systems of order and the mathematical foundations of folds and ornament. The small-scale drawing block, consisting of five sheets, and the new drawing from the series “I saw a broken labyrinth” are composed of lines that become denser in some areas, then become more spaced again or overlap, thus forming visual rhythms. At points they appear to vibrate. Force fields emerge. In general in Nasseri’s work, be it two-dimensional or three-dimensional, the line plays a role in connection with the topic of infinity. As mathematically speaking a line, no matter how long, consists of an infinite number of dots, it is a placeholder for the infinite. Thus an infinite macrocosm is present
in every single graphic notation of these geometric microcosms. Yet the line is also an example of our perception: The observer sees the line, but not its constituent parts, the infinite number of dots. Yet he can use it to describe the infinite in the form of words or drawings, i.e. notations.
German
In Timo Nasseris aktueller Ausstellung “ Nine Firmaments” widmet er sich dem
Thema der Notation und Lesbarkeit. Er erforscht die Problematik von Transkription und den Verlust von Wissen durch Notation und deren Rückübertragungen in den dreidimensionalen Raum.
Nasseris Titel gebende Zeichnung “Nine Firmaments” wie auch “Orbis Tertius” greifen auf zeichnerische Elemente zurück, die dem Betrachter vertraut erscheinen. Graphische, geometrische Zeichen, Ziffern und Buchstaben, die aus den Bereichen der Mathematik, Kartographie oder Astronomie stammen, werden in einen komplexen, aber rein intuitiven, nicht entschlüsselbaren Zusammenhang gesetzt. Beim Betrachter lösen die Wörter, Zahlen und Formen Assoziationen aus und scheinen Verweise zu sein, die aber in keinen klaren Sinnzusammenhang zu bringen sind, obwohl diese Notationen ursprünglich dazu dienen, Informationen und Wissen zu benennen, zu konservieren und zugänglich zu machen. Nasseri hinterfragt das uns optisch so selbstverständlich gewordene Vokabular der Schriftzeichen, indem er eigene, phantastische Zeichenwelten schafft, die in ihrer Minutiösität und Präzision bestechen, aber dem Betrachter Rätsel aufgeben. Sie lehnen sich an Nasseris Zeichnungsblöcke “O Time Thy Pyramids” an. Gedanklich nehmen sie Bezug auf Jorge Luis Borges literarisches Werk “Die Bibliothek von Babel” (1941), wo in einer unendlichen Bibliothek jegliche Kombination von Buchstaben und Worten aufbewahrt wird und somit alles an Wissen repräsentiert ist. Da jede mögliche Kombination enthalten ist, erscheint es kakophonisch und unentschlüsselbar. Jedoch fehlt eventuell nur eine Decodierungs-Chiffre für eine mögliche Übersetzung, ähnlich wie es in der Mathematik einen Schlüssel für Formeln gibt, um sie zu verstehen.
Aus diesen Zeichnungen der “O Time Thy Pyramids” - Serie entspringen die in der Ausstellung präsentierten skulpturalen Arbeiten. Sie führen die ihnen innewohnende Gedanken weiter bzw. sie sind der Versuch, das, was im Zweidimensionalen unlesbar oder verloren gegangen ist, wie etwa das Volumen von Körpern, in der dritten Dimension wieder lesbar zu machen. Sie sind somit Ableitungen, Rückübersetzungen und Interpretationen einer Notation ins Dreidimensionale.
Die daraus resultierende raumfüllende Installation “Preons” (2015) besteht aus mehreren einzelnen Skulpturen, die Timo Nasseri zu einem zueinander gehörenden, modularen Bezugssystem vernetzt: Klare geometrische, abstrakte Formen in Materialen wie Messing, Holz, schwarzem, puderbeschichteten Stahl oder Fäden.
Das zum Ensemble gehörende “Prion” (oder “Muon”) besteht aus verschiedenen verstellbaren, sich umeinander drehenden Spheren, wie bei einem Himmelsmodel oder Globus, und einem Netz von gespannten Fäden, die Kurven zu bilden scheinen. Die Krümmungen entstehen wie auch bei der zentral platzierten Skulptur aus geraden Linien, die so zueinander versetzt werden, dass sie sich um sich selbst drehen und daher Kurven zu bilden scheinen. Inspiration fand Nasseri dafür anfänglich wie schon bei den “Mesh”-Skulpturen in geometrischen Zeichnungen von Jakob Steiner (1796 – 1863), einem Schweizer Mathematiker, der einen Weg suchte, konische Körper mittels Parabeln in Zeichnungen zu beschreiben. Nasseri widmet sich der umgekehrten Frage, der Übertragung von zweidimensionalen Strukturen zurück in den dreidimensionalen Raum und der Veränderung, die ein System bei der Subtraktion oder Addition um eine Dimension erfährt. Häufig basieren dabei seine Arbeiten im Zeichnerischen wie im Skulpturalen auf geometrischen Ordnungssystemen und mathematischen Grundlagen von Faltungen und Ornament.
Der kleinformatige Zeichnungsblock, der sich aus fünf Blättern zusammensetzt, und die neue Zeichnung der “I saw a broken Labyrinth” - Serie bestehen aus Linien, die sich an manchen Stellen verdichten, wieder auflockern oder sich überlagern und so optische Rhythmen bilden. Teilweise scheinen sie, zu vibrieren. Es entstehen Kraftfelder.
Die Linie spielt grundsätzlich bei Nasseri, sowohl in seinen zwei- wie dreidimensionalen Arbeiten, eine Rolle in Verbindung mit dem Thema Unendlichkeit. Da eine Linie, unabhängig von ihrer Länge, mathematisch gesehen aus unendlich vielen Punkten besteht, ist sie Platzhalter für das Infinite. So steckt in jeder einzelnen graphischen Notation dieser geometrischen Mikrokosmen die Anwesenheit eines unendlichen Makrokosmos. Die Linie ist aber auch Beispiel für unsere Wahrnehmung. So sieht der Betrachter die Linie, aber nicht ihre Bestandteile, die unendliche
Anzahl von Punkten. Er kann sie aber nutzen, um das Unendliche in Form von Worten oder Zeichnungen, sprich Notationen, zu beschreiben.